Wenn die Ersten Frauen in der Feldarena zu einem Heimspiel antreten, tummelt sich alt und jung am Spielfeldrand. Seniorenspieler klatschen begeistert Beifall, der Nachwuchs staunt über die technischen Tricks, die auf dem Feld von Hamburgs Spielerin des Jahres Nina Philipp und ihren Kolleginnen in der Regionalliga Nord dargeboten werden.
Nach dem Schlusspfiff und der schon fast obligatorischen "Siegeswelle" mit den Fans bilden sich Trauben um die Spielerinnen. Jede/r möchte noch ein persönliches Wort erhaschen. Es geht familiär an der Feldstraße zu. Sofort fällt ins Auge, dass es um eine Spielerin besonders laut wird. Zahlreiche junge Mädchen tummeln sich um Sanna Barudi. Doch warum?
Die Antwort ist denkbar einfach. Sanna ist nicht nur defensive Mittelfeldspielerin oder Verteidigerin auf dem Feld. Zusätzlich engagiert sie sich ehrenamtlich als Jugendtrainerin in der Abteilung und schürt dort offensichtlich die Begeisterung des Nachwuchses des FC St. Pauli.
Seit sechs Jahren spielt die 25-Jährige für die Braunweißen Fußball, zudem entdeckte sie vor vier Jahren ihr Talent, ihr Wissen weiterzugeben. Sie kann ihre Schützlinge für Fußball begeistern. Das ist sofort zu spüren, wenn man die E-Mädchen des Vereins beim Training beobachtet. Verstärkt wird dieser Eindruck beim Gespräch mit den jungen Kickerinnen.
Die E-Jugend wurde erst im letzten Jahr gegründet. Vorher mussten die fußballinteressierten Mädchen des Stadtteils noch zu anderen Vereinen ausweichen. So auch Enne: "Ich wollte immer schon Fußball spielen. Ich bin großer St. Pauli-Fan. Erst habe ich bei Sternschanze gespielt und jetzt bin ich alt genug, hier zu spielen."
Enne verrät auch, dass sie öfter zu den Ersten Frauen geht: "Da habe ich auch Sanna kennengelernt." Die Trainerin hat die C-Lizenz und den Trainertorwartschein für Breitenfußball. Aktuell ist sie auf den Sprung zur B-Lizenz, mit der sie dann bis in die Regionalliga trainieren darf.
"Mir ist es wichtig eine Verknüpfung zu schaffen, damit alle miteinander zu tun haben und gegenseitig die Gesichter erkennen", sieht sie ihre Arbeit innerhalb der Abteilung. Sanna ist nicht die einzige Spielerin, die sich im Nachwuchsbereich einbringt. An ihrer Seite weiß sie Mirjam Herkenrath von den Zweiten Frauen, die ebenso tatkräftig dabei ist. Das Duo schaut konzentriert beim Trainingsspiel zu und gibt von Zeit zu Zeit Anweisungen.
Auch Maja ist glücklich an der Feldstraße trainieren zu können: "Unsere ganze Familie ist Sankt-Pauli-Fan und ich mag Fußball. Dann gab es das Angebot, dass eine neue Mannschaft aufgemacht wird. Mein Vater hat mich gleich angemeldet." Das war vor einem Jahr.
Andere Vereine wie der SC Sternschanze oder der ETV sind im Jugendbereich breiter aufgestellt. Dafür gibt es einen einfachen Grund. An der Feldstraße gibt es Platzprobleme. "Du siehst, wir trainieren gerade mit drei Teams auf einem Platz. Es ist okay, aber wir haben heute 14 Mädels im Training und mehr als 15 oder 16 können wir nicht aufnehmen", erklärt Sanna.
Wenn man die Mädchen fragt, warum sie beim FC Fußball spielen, kommen immer wieder die gleichen Gründe. Teresa sagt: "Weil Fußball meine Leidenschaft ist und weil St. Pauli ein cooler Verein ist, spiele ich hier gerne Fußball."
Dem Duo an der Linie gelingt es offensichtlich, das allererste Ziel zu vermitteln: Spaß am Fußball. Doch auch andere Werte hebt Sanna hervor: "Es ist wichtig, dass die Mädchen stolz darauf sind, ein Mädchen zu sein, als Mädchen auch Fußball spielen zu können, dass sie sich mit den Werten des Vereins, mit der Abteilung identifizieren."
Dabei wird teamübergreifend gearbeitet. Ende Juni fand ein Abteilungsturnier mit allen Teams statt. Doch statt nur gegeneinander zu spielen, wurden die Teams gemixt - von der U11 über die U17 bis hin zu den Ersten Frauen.
Nicht alle Mädchen, die von Tor zu Tor jagen, kommen aus St. Pauli oder den angrenzenden Stadtteilen. Viele entstammen von Familien, die Dauerkarten für den FC besitzen. Karla ist eine von ihnen: "Ich bin schon ganz oft im großen Stadion gewesen und bin fast immer da. Dann wollte ich auch Fußball spielen. Mein Papa hat das hier gefunden und da bin ich hierher gegangen."
Auf die Frage, ob sie eine Lieblingsspielerin haben, gibt es fast nur eine Antwort: Sanna, Sanna, Sanna. Die Trainerin schreitet ein, meint zu Enne: "Deine ist doch Inga!" "Gewesen. Sie spielt ja nicht mehr", korrigiert ihr Schützling. Zumindest bei den Ersten Frauen spielt Inga Schlegel in der Tat nicht mehr. Im Sommer hat die langjährige Kapitänin der Aufstiegself dort ihr Trikot abgegeben und lässt ihre Leistungskarriere bei den Zweiten Frauen ausklingen.
Gerade als Sanna noch sagt: "Mir ist es wichtig, dass alle am Ball sind, möglichst auch am Ball bleiben. Aber es ist natürlich völlig in Ordnung, wenn eine Spielerin merkt, das ist doch nicht ihr Sport. Das ist völlig normal", kommt Elea neugierig herübergelaufen. Elea hat ihr Team im Sommer verlassen, aber nicht, weil Fußball ihr keinen Spaß macht. Sie ist als nun Elfjährige in die D-Jugend gewechselt.
"Ich schaue oft bei den Heimspielen der Ersten Frauen zu. Meine Lieblingsspielerinnen sind Sanna und Mio." Sie meint Kathrin Miotke, die das Spiel der Ersten Frauen im Mittelfeld ordnet. Selbst denkt Elea nicht an eine große Karriere: "Ich mag die Trainer, lerne tolle Tricks und die Taktik. Aber vor allem möchte ich Spaß haben und Fußball spielen."
Das Motto der Trainerin zieht. Sie wird sich freuen, wenn beim nächsten Heimspiel wieder viele 'ihrer' Mädels begeistert zuschauen und sie nach Spielende wie aufgeregte Bienen umschwärmen.